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--- 15.05.21 Medusa, Kiel (Acoustic Show, Live-Stream) --- 07.08.21 Wellesweiler Open Air ---

Jeder, der schon einmal das Vergnügen hatte, selbst in einer unprofessionellen Band zu spielen, kennt das unvergleichliche Gefühl, mit einem fertigen Song aus dem Proberaum zu torkeln. Nach tagelangem "Spiel das Riff mal schneller", "Mach den Shout mal tiefer" und "Lern endlich mal Double-Base, du Arsch" hat man soviel Arbeit in drei Minuten Musik gesteckt, dass man es kaum erwarten kann, sich auf die Bühnen von lokalen Turnhallen zu wagen, wo es der eigenen Truppe ohne größere Mühe gelingt, stockelige Schülerbands zu übertreffen und das dicke Rockstar-Feeling aufkommen zu lassen. Dass die Hälfte der Riffs geklaut ist und man sich sicher sein könnte, dass Magazine wie das unsere die eigene Musik gnadenlos verreißen würden, ist erst einmal nicht so wichtig wie der Wunsch, die Zuhörer mögen doch bitte bemerken, wie viel Arbeit und Liebe in die eigenen Songs geflossen ist. Hier ist dann allerdings der Punkt erreicht, wo sich TYSON aus Kiel radikal von vielen anderen Bands abheben: Man hört zwar exakt die Liebe und den Einsatz der Band zur und für die Musik, die man selbst empfunden hat, als man stolz wie Oskar mit ersten Songs aus dem Proberaum marschiert ist, aber man muss auch neidlos anerkennen, dass TYSON wohl in 95% der Fälle einfach besser sind als die eigene Krawalltruppe.

"Bareknuckle Fights" ist das erste Full-Length des Quartetts um Frontmann und Bassist André Koch, wobei man bei einer eher kurzen Spielzeit von nur 28 Minuten anscheinend eher auf den vorzeitigen K.O. als auf den Punktsieg nach zwölf Runden zu setzen scheint. Allerdings haben es die elf Runden, die TYSON sich im Ring beweisen, durchaus in sich und man kann letztendlich froh sein, wenn man nach den ersten Durchläufen (im Gegensatz zu den Rivalen vom Namensgeber der Band) das Privileg besitzt, mit intakten Ohren aus dem Ring zu steigen. Auf dieselbigen gibt es nämlich Salve um Salve schnörkellosen und groovenden Melodic Hardcore, der durchgehend mitreißt und begeistert. Da man allerdings nicht über elf Runden dieselbe Taktik benutzen möchte, zeigen sich TYSON unglaublich vielseitig und abwechslungsreich und binden immer wieder Elemente aus Metal, Punk und Rock'n Roll in die eigene Strategie ein. TYSON lassen einen eigenen Stil erkennen, wiederholen sich aber nie selbst und schaffen es letztendlich ein Album zu schreiben, auf dem sich keine zwei Songs zu sehr ähneln. Der Sound der Gitarren ist in jedem Track unterschiedlich und die Art der Shouts (bzw. des, ein wenig an VOLBEAT erinnernden, rauen Clean-Gesanges) ändert sich stetig, wobei Gastauftritte von Jack Letten (SMOKE BLOW) ihren Teil zu dieser Vielfalt beitragen. Zu allem Überfluss lassen dann Smash-Hits wie "W.Y.S.I.W.Y.G." oder „To Cross The Line“ auch noch ein unglaubliches Händchen für eingängige Melodien erkennen.

Alles in allem ist "Bareknuckle Fights" ein Album, das zwar nicht das Rad neu erfindet, das aber dennoch unglaublich facettenreich daher kommt und dem man den Spielspaß der Band und die Liebe, die in den Songs steckt, konstant anmerkt. Durchhänger gibt es eigentlich keine und somit hauen TYSON dem Zuhörer ein absolut gelungenes Hardcore-Brett vor die Omme, dass sich jeder Musiknarr, der sich selbst Hardcore schimpft und auf Bands wie COMEBACK KID oder CASEY JONES abfährt, einmal antuen sollte. Durch die unglaubliche Energie, die TYSON versprühen, kann ich dann auch nicht anders, als den Kielern einen klaren Sieg nach Punkten / Lumpis zuzusprechen.

- Werner -